Teil 1:

Farbe beim Wohnen

Kürzlich habe ich mich mit dem Fotografen Wolfgang Lehner über Wandfarben und ihre Wirkung auf Räume und das Licht darin unterhalten. Das Licht in einem Raum ist beim Fotografieren ja grundlegend wichtig, insofern ist Wolfgang da natürlich Spezialist. Wir haben im Gespräch aber auch festgestellt, dass die meisten Wohnräume weiße Wände haben – schade eigentlich, finde ich. Denn mit Farbe lassen sich unglaublich spannende und schöne Wirkungen in Räumen erzeugen.

Ich selber mochte bis vor wenigen Jahren in meiner eigenen Wohnung am liebsten weiße Wände. Die Farbe brachte ich mit Textilien, Bildern und Deko in die Räume. Dabei war mir weniger lieber. Seit ich meine aktuelle Wohnung bezogen habe, habe ich die Wandfarben für mich entdeckt. Oder genauer gesprochen: Das Thema Farbe beim Wohnen insgesamt. Ich habe gemerkt, dass ich viel mehr Kontrast in meinen Räumen sehen möchte und eben auch Farbe. Durch Farben kann man Räume strukturieren, man kann Blicke lenken, man kann die Stimmung eines Raumes beeinflussen – und man kann durch Farben natürlich auch auf die Menschen im Raum Einfluss nehmen.

Denn Farben wirken auf uns. Das tun sie auf unterschiedliche Weise – körperlich und emotional. Und Farben haben auch Bedeutungen, was wiederum die Wirkung der Farbe auf uns beeinflussen kann. So können Farben unter anderem aus biologischer, historischer oder religiöser Sicht bestimmte Bedeutungen haben. Nicht zuletzt hat jeder von uns Lieblingsfarben und andere, die er gar nicht mag – Farbwirkung ist also auch individuell unterschiedlich ausgeprägt. Insgesamt aus wohnpsychologischer Sicht ein sehr spannendes Feld.

Es gibt zu dem Thema übrigens ein tolles Buch von Eva Heller. Ich habe es hier vorgestellt.

Obwohl Farbe beim Einrichten also wirklich ein mächtiges Tool ist, erlebe ich oft, dass Menschen sagen: Ich würde ja ganz gern mal was anderes als weiße Wände haben, aber ich trau mich irgendwie nicht drüber. Das liegt daran, dass sie viele offene Fragen zum Thema haben: Welche Wirkung haben denn eigentlich Farben beim Wohnen? Welche Farbe passt für welchen Raum? Für welche Räume sind farbige Wände überhaupt geeignet? Wie groß muss ein Raum sein, damit er Farbe an den Wänden verträgt? Gibt es Regeln zur Gestaltung mit Wandfarben?

Ich möchte auf diese Fragen einmal ein bisschen genauer eingehen und starte daher heute eine kleine Blog-Serie zum Thema Gestalten mit Wandfarbe.

Wir beginnen heute mit der Frage:

In welchen Räumen kann ich denn Farbe überhaupt einsetzen?

Die Antwort wird einige unter Ihnen jetzt wahrscheinlich überraschen, denn sie lautet: In allen Räumen kann man Farbe einsetzen!

Man hört sehr oft, dass nur große Räume oder nur Räume mit einem passenden Schnitt Farbe vertragen. Das stimmt aber nicht. Ganz im Gegenteil. Oft kann man mit Farbe gerade in Räumen mit schwierigen oder ungewöhnlichen Grundrissen eine tolle Wirkung erreichen. Sie fragen sich jetzt vielleicht: Aber was ist mit kleinen Räumen? Wirken die nicht noch kleiner mit Farbe an den Wänden?

Die Antwort lautet: Kein Raum ist zu klein für Farbe!

Ja, es stimmt. Manch ein Raum wirkt möglicherweise ein kleines bisschen kleiner durch eine Wandfarbe. Er wirkt aber auch definierter, interessanter und oft viel gemütlicher, als mit weißen Wänden.

Ich höre auch schon Ihren nächsten Einwand: Ok, aber in kleinen Räumen dürfen es sicher nur helle Farben sein.

Die Antwort lautet wieder, Sie ahnen es bereits: Nein. Auch in kleinen Räumen kann man mit dunklen Wandfarben arbeiten.

Der kleinste Raum, den ich mit dunklem Wandfarbe versehen habe, war eine Garderobe mit der Grundfläche 1,75 m x 150 m, also 2,62 m². An diesem Beispiel kann man sehr gut sehen, welchen positiven Effekt gerade dunkle Wandfarbe in kleinen Räumen haben kann. (Die unter Ihnen, die mir auf Instagram folgen, kennen diesen Raum wahrscheinlich bereits.)

Der Raum war vorher klassisch weiß gestrichen. Die Garderobe in einem Gründerzeit-Altbau ist ein dem eigentlichen Flur vorgelagerter Raum. Die Wohnung hat also noch vor der Wohnungstüre einen weiteren kleinen Raum, der mit einer zusätzlichen Tür vom Treppenhaus abgeteilt ist – wie eine Art Windfang.

Der Raum hat dadurch 2 Wandflächen und 2 Wände, die fast völlig von den großen Türen eingenommen werden. Insofern wirkte der Raum vorher mehr wie ein Durchgang, als ein richtiges Zimmer. Der erste Versuch einer besseren Definition des Raumes war, die Kleidung (und ein paar Kartons) hinter einem Vorhang zu verbergen. Das klappte nicht so richtig gut.

Ich bin nun daher den entgegengesetzten Weg gegangen: Ich habe den Vorhang entfernt, die zwei Wandflächen des Raumes bis auf ca. 2.30m Höhe in einem ganz dunklen Anthrazit gestrichen und eine ebenfalls anthrazitfarbene Garderobenstange montiert. Die Wände werden dadurch zwischen den beiden weißen Türen stark definiert – der Raum wird ein richtiger Raum. Außerdem wird die Raumhöhe gefühlt auf ein passendes Maß reduziert – vorher bestand ein Missverhältnis zwischen der sehr kleinen Grundfläche und den sehr hohen Wänden.

Statt der Kartons kam ein alter Schuhschrank zum Einsatz; das schwarze Fahrrad wirkt vor der schwarzen Wand auch gleich nicht mehr so störend.

Insgesamt wirkt dieser winzige Raum durch die ganz dunklen Wände letztlich größer als ganz in weiß. (Und außerdem viel gemütlicher).

Das Argument, ein Raum sei zu klein für Wandfarbe, lasse ich so pauschal also nicht gelten :-).


Tipp: Um einmal eine Vorstellung zu bekommen, dass grundsätzlich wirklich ALLE Farben in allen Räumen eingesetzt werden können und zu guten Ergebnissen führen können, empfehle ich bei Pinterest zu suchen: Man kann dort Suchbegriffe eingeben, beispielsweise „Wohnzimmer blaue Wand“, „Flur rote Wand“ oder „Bad schwarz“ und bekommt Zimmer in allen Farbtönen und allen möglichen Stilen zu sehen – und es ist immer wieder überraschend, wie toll Farben in Räumen in Zusammenspiel mit der Einrichtung wirken können.


Das gilt natürlich auch für Farbkombinationen, wie „Küche blau grün“ oder „Schlafzimmer rosa schwarz“. Probieren Sie ruhig auch ein bisschen verrückte Farb-Raum Kombinationen aus – es lohnt sich!

Auch haben die Hersteller von Wandfarben oft Instagram-Accounts auf denen man fündig wird. Dort sind es vor allem meist echte Räume von echten Menschen, die mit Wandfarben gestaltet wurden. Ich schmökere da gern bei den Herstellern von Kreidefarben. Sehr schön!

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Surfen und Entdecken von farbigen Räumen!

In Folge 2 der Farb-Serie geht es um die Frage, wie man den richtigen Farbton für einen Raum findet.